Urlaub verjährt nicht ohne Belehrung
Das Thema Verfall und Verjährung von Resturlaubsansprüchen hat in den vergangenen Jahren für Schlagzeilen gesorgt. Nun hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in zwei weiteren Entscheidungen die Anforderungen konkretisiert.
In der einen Entscheidung (BAG, Urteil vom 20.12.2022, Az.: 9 AZR 266/20) verklagte eine Steuerfachangestellte ihren ehemaligen Arbeitgeber auf Abgeltung von 101 Urlaubstagen aus mehreren Jahren bis zum Jahr 2017.
Der Arbeitgeber wandte gegen die Ansprüche ein, dass diese Verfallen wären, aber auf jeden Fall verjährt. Die Belehrung der Arbeitnehmerin wäre damals nicht erfolgt, da die geänderte Rechtsprechung des BAG seinerzeit noch nicht bekannt war.
Das BAG verurteilte den Arbeitgeber trotzdem zur Auszahlung der Urlaubsabgeltungsansprüche.
Zwar fänden die Vorschriften über die Verjährung (§§ 214 Abs. 1, 194 Abs. 1 BGB) auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginne bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 199 Abs. 1 BGB jedoch nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.
Der Zweck der Verjährungsvorschriften, die Gewährleistung von Rechtssicherheit, trete in der vorliegenden Fallkonstellation hinter dem Ziel von Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zurück, die Gesundheit des Arbeitnehmers durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme zu schützen. Die Gewährleistung der Rechtssicherheit dürfe nicht als Vorwand dienen, um zuzulassen, dass sich der Arbeitgeber auf sein eigenes Versäumnis berufe, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich auszuüben.
In der zweiten Entscheidung vom gleichen Tag (BAG, Urteil vom 20.12.2022, Az. 9 AZR 245/19) waren erneut Urlaubsansprüche bei fortdauernder Krankheit eines Arbeitnehmers Gegenstand.
Nach einer früheren Entscheidung des BAG verfallen bei andauernder Krankheit Ansprüche auf Urlaub nach 15 Monaten, gerechnet ab den Ende des Jahres in dem sie entstanden sind.
Das bleibt auch so. Eine Belehrung des Arbeitnehmers ist jedenfalls dann nicht Voraussetzung für den Verfall, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31.03. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert ist, seinen Urlaub anzutreten. Dann hätte auch ein Hinweis des Arbeitgebers auf den Urlaub nichts genutzt.
Anders wird dies jedoch beurteilt, wenn der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr noch tatsächlich gearbeitet hat, bevor er voll erwerbsgemindert oder krankheitsbedingt arbeitsunfähig geworden ist. In dieser Fallkonstellation setzt der Verfall des Urlaubsanspruchs regelmäßig voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in die Lage versetzt, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen. Der Resturlaub für ein Jahr mit teilweiser Erwerbstätigkeit bleibt demnach erhalten und verfällt nicht nach 15 Monaten, wenn der Arbeitgeber seiner Mitwirkungsobliegenheit (Belehrung) nicht nachgekommen ist.
Zur Vermeidung von ewigen Urlaubsansprüchen ist jedem Arbeitgeber dringend anzuraten, rechtzeitig im Jahr jeden einzelnen Arbeitnehmer individuell über seine noch bestehenden Urlaubsansprüche zu informieren und auf die Rechtsfolge des Verfalls zum 31.03. des Folgejahres bei Nichtname hinzuweisen.